Presse: Vor 70 Jahren ein edles Spielzeug für Reiche
04.07.2006 08:46 (9282 x gelesen)
Neue Zürcher Zeitung - Dienstag 4. Juli 2006
Vor 70 Jahren ein edles Spielzeug für Reiche
Ein Zeuge der Bootsbau-Kunst am Zürichsee ist als Klubschiff gerettet worden
wbt. Dem Fluntermer Schuhmachersohn John Faul ist manches Kunststück gelungen. 1896 gründete er mit 26 Jahren eine Bootswerft in Wollishofen und verpflanzte diese 1914 auf ein fünfmal so grosses Grundstück nach Horgen. Dem neuen Bootsbau-Betrieb gliederte er die erste Reparatur-Werkstatt für Automobile mit Tankstelle auf der linken Zürichseeseite an. «Graham Paige» oder «Chandler» gehörten zu den von Faul vertretenen elf Automarken. Als Bootsbauer baute er in Perfektion, was immer bei ihm in Auftrag gegeben wurde, ob Motor-, Ruder- oder Segelboot. Der Name Faul und die Marke «Swiss Craft» wurden weltweit zum Begriff. Die heute von der vierten Generation geführte Faul AG baut zwar keine eigenen Boote mehr, pflegt aber nach wie vor viele «Swiss Craft»-Kundenboote.
Eines der Kunstwerke von John Faul ist die M/L (Motor Launch) «Ajax». Faul schuf den Weekend-Motor-Kreuzer auf Bestellung eines Fabrikanten im Jahr 1935, als am linken Seeufer mancher Angestellte und Arbeiter unten durch musste. Das Schiff bot vier Schlafplätze, WC, Lavabo, Küche und einen geschlossenen Salon. Die offene Plattform bekam später ein Verdeck. Dem Fabrikanten war das offenbar nicht genug. Nach zwei Jahren gab er das Boot an Zahlung für ein neues Schiff. Weil es später während 30 Jahren in der Hand einer Besitzerfamilie blieb, befindet sich das Motorboot bis auf einige technische Anpassungen in seinem ursprünglichen Zustand.
Als das prächtige Schiff im vergangenen Winter zum Verkauf stand, trat der Oldtimer Boot Club Zürichsee auf den Plan. Der einmalige Zeuge zürcherischer Bootsbau-Kunst sollte dem Zürichsee erhalten bleiben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Im Februar stimmte die Generalversammlung dem Kauf des ersten Klubschiffs und dem Betriebskonzept zu. Der Kaufpreis von 135 000 Franken wird zu einem Drittel aus dem Vereinsvermögen und aus Darlehen der als Kapitäne fungierenden Aktivmitglieder aufgebracht. Ein Drittel kommt von neun Firmen-Sponsoren, von denen bisher vier fest zugesagt haben, und ein letztes Drittel steuert gemäss einem Beschluss vom Mai 2006 der Zürcher Lotteriefonds bei. Das Boot führen ausschliesslich die über Darlehen beteiligten Kapitäne. Vereinsmitglieder können das 12-plätzige Schiff zu Vorzugskonditionen nutzen. Ein Teil ihres Mitgliederbeitrags fliesst in den teuren Unterhalt des Schiffes.
Weitere Informationen und Kontakt über www.obcz.ch
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